Sie kennen Nicholas Carr? Das ist der, der im Jahre 2003 in seinem Artikel in der Harvard Business Review behauptete: „IT doesn’t matter!“ Die kontroversen Diskussionen der letzten Jahre zu diesem Statement sind hinlänglich bekannt.
Während im Hintergrund ein WM-Spiel auf dem Fernseher übertragen wurde, hatte ich das Vergnügen mir von ihm bei einem kühlen Bier seine Prognosen persönlich erläutern zu lassen. Für alle diejenigen, die nicht wissen was seine Kernaussage ist, hier das Ganze auf einen Satz verkürzt: IT wird in der Zukunft eine Commodity werden wie heute der Strom. Und da alle das Gleiche nutzen (wie beim Strom) ist durch die reine Nutzung kein Wettbewerbsvorteil mehr zu erzielen.
Vor diesem Hintergrund stellten wir beide übereinstimmend fest das gegenwärtig sehr viel über die Industrialisierung der IT geredet wird und IT sicherlich in hohem Masse bereits eine „commoditization“ erreicht hat. Ich hielt ihm entgegen, dass das doch aber nichts Neues ist und eine ja fast zwangsläufige Entwicklung sei. Industrialisierung hat in der Vergangenheit in anderen Industrien eine lange Tradition und zeichnet sich immer durch zwei Entwicklungen aus: Automatisierung und Standardisierung. Erstaunlichweise folgen aber Qualität und Konsistenz nicht dem gleichen Muster. So zeigte eine Studie der Economist Intelligence Unit und Mercury, dass in mehr als 50% der Unternehmen lediglich in einer von zwei Initiativen das angestrebte Ergebnis in Bezug auf die betriebswirtschaftlichen Ziele erreicht wurde.
Carr ist der Meinung, dass hier eine rasante Entwicklung im Gange ist. Die Outsourcing-Unternehmen boomen, und nicht nur die Indischen wie Tata, Wipro, Infosys, Satyam etc. liefern ein Rekordergebnis nach dem Anderen. Gleichzeitig entwickeln diese Unternehmen jedoch eine hohe Service- und Prozessqualität, die auf der Grundlage ihrer industriellen Erfahrungen umgesetzt werden kann. Daher meint er, dass es doch gar nicht so abwegig ist, das im „Next Generation Sourcing“ die Unternehmen nicht oder zumindest kaum noch die entsprechenden IT-Infrastrukturen besitzen werden. „No more ownership“.
Alles richtig, erwiderte ich. Woran liegt es dann aber, dass so viele Möglichkeiten zu einer weitergehehenden Industrialisierung der IT nur zögerlich genutzt bzw. umgesetzt werden, insbesonders im Application Service Providing (ASP)? Der zentrale Schritt sei, so seine Antwort, der „jump“ von der Applikationsorientierung zur Produktorientierung. Das müssten die Unternehmen noch mehr verinnerlichen. Die Komplexität dieser „Produkte“ erhöht sich proportional zur Geschäftsorientierung der Produkte. Und das sei der Grund, warum beispielsweise das Business Process Outsourcing gegenwärtig nur zögerlich von den Unternehmen genutzt wird. Unser Gespräch endete wie das Fussballspiel:
Wolfgang Franklin, Vorsitzender des Vorstandes, cioforum e.V.