Wir schreiben das Jahr 2005, Weihnachten steht vor der Tür. Wie jedes Jahr um diese Zeit ist es die Zeit nachzudenken, über sich, über die Gegenwart, über die Zukunft, über das Gestern und über seine Umwelt.
Lassen Sie uns ein wenig über die Umwelt des Chief Information Officer (CIO) nachdenken. Mit der Umwelt meine ich nicht Umwelt im ökologischen Sinne, sondern die Menschen mit denen diese Berufsgruppe berufsbedingt überwiegend und tagtäglich zu tun hat:
Die Kunden, die Lieferanten und die sog. Fachwelt.
Da sind einmal seine Kunden, d.h. die Kolleginnen und Kollegen im Unternehmen, die mit ihrer Zuneigung für ihn sehr sparsam umgehen und ihm das Leben schwer machen.
Und dann sind da die Lieferanten, die ihn meistens auch nicht lieben, aber das gekonnt zu verbergen wissen, denn Sie wollen ihm ja etwas verkaufen. Das klappt aber nur noch mit deutlich erhöhtem Aufwand. „Anhauen, umhauen, abhauen“: Das war einmal, auch die schönste Zeit geht einmal vorbei. Das Einzige was da stört ist eben der Kunde: Er will nicht mit Ihnen reden und wenn überhaupt dann nur, wenn CIO es für nötig hält. Hinsichtlich der Notwendigkeit von Aufträgen und Bestellungen hat er meistens zudem noch eine andere Meinung, was verständlicherweise dem Quartalsziel nicht immer zuträglich ist.
Und dann ist da die Fachwelt, die Presse, die einschlägige des Faches, die immer alles weiss, frühzeitig, rechtzeitig, allumfassend und uns allen erzählt wie hilfreich sie doch ist. Nach meiner Meinung hat sie ein ausgeklügelt kultiviertes ambivalentes Helfersyndrom entwickelt und zwar in Richtung unserer CIOs und zugleich auch seiner Lieferanten.
Befragen wir das Orakel der Neuzeit nach dem Begriff Helfersyndrom so lesen wir:
„Das Helfersyndrom steht für Verirrung in einen Altruismus, der keiner ist und niemandem gut bekommt, auch nicht denen, denen geholfen werden soll, denn Menschen mit Helfersyndrom neigen dazu, Hilfsbedürftigkeiten in Abhängigkeiten und Schuldgefühle zu wandeln. Altruismus bedeutet Selbstlosigkeit. Die Selbstlosigkeit gilt in vielen Kulturen als höchste Tugend und besagt, dass das Wohl anderer dem eigenen Wohl vorgehen solle.“ Zitat Ende. Selbstlosigkeit leuchtet uns allen in zwischenmenschlichen Beziehungen ein. Warum aber soll die Fachpresse selbstlos sein? Na weil sie ambivalent ist und daraus Nutzen schlägt, grossen Nutzen. Im Lexikon lesen wir: „Unter Ambivalenz wird das Nebeneinander von gegenteiligen Gefühlen, Gedanken und Wünschen verstanden. Es handelt sich hierbei also um ein „Sowohl/Als auch“ von Einstellungen, sodass Ambivalenz oft auch als „Doppelwertigkeit“ bezeichnet wird.
Die Ware CIO hilft der einschlägigen Presse des Faches ihre anhaltend mageren Ergebnisse aus dem Print-Geschäft aufzubessern. Hinter dem Feigenblatt von Matineen und Strategietagen getarnt, füllt man sich stillschweigend das eigene Säckel.
Beispiel Hamburger Strategietage: Die Platinhilfe des veranstaltenden Verlages kostet einem Anbieterunternehmen satte 54.000, die Goldige a bisserl weniger, 37.000 und Silber immerhin noch 26.000. Und für so manche morgendliche Zusammenkunft mit abschliessendem Mittagessen blättern die Anbieter zwischen 25.000 und 44.000 auf den Tisch, Mehrwertsteuer selbstverständlich nicht enthalten.
Der gute Mensch hilft sich also selbst zuerst. Sonst kann er ja nichts für andere tun. Wem die Hilfe nützt, ist ergo eine Frage der Perspektive. „Grau, mein Freund, ist alle Theorie, grün ist nur das Business!“ sagt die Berliner Künstlerin Antje Schiffers. Recht hat sie, die Gute.
Und mit der Ware CIO wird Business gemacht.
Das die häufig irrelevanten Informationen in den Vorträgen nicht einmal den Bedürfnissen eines CIOs gerecht werden überhören die Veranstalter unauffällig. Klare Interessen, der gute alte Eigennutz. Egal in welcher Ausprägung, ein Thema steht im Vordergrund: Wie lässt sich mit dem CIO möglichst viel Geld verdienen? Damit aber auch der was davon hat, wird dann alljährlich aus dem Kreise der ewigen Getreuen der Macher des Jahres gewählt. „There is no business without show business“. Früher gab man den Zugpferden ja auch ein Zuckerl.
Lieber CIO, Du hast Dir einst selbst geholfen und nicht darauf gewartet, dass Dir irgendjemand mit Helfersyndrom helfen wird. Du hast entschieden was getan wird und was richtig oder falsch ist. Do it again! Got the message?
Wolfgang Franklin, Vorsitzender des Vorstandes, cioforum e.V.